Diözesanversammlung
Archiv2018Einzelseiten
„Europa ist mehr als der Binnenmarkt“
Europaabgeordneter Michael Detjen vor Kolping-Diözesanversammlung in Winnweiler:
Europa braucht ein soziales Fundament – Kolping im „Zukunftsprozess“:
Tatkräftiges Engagement in der Gesellschaft als Aufgabe und Ziel
Winnweiler
/ Kaiserslautern (09.05.2018 / ko-tb). - „Europa ist mehr
als der Binnenmarkt. Europa ist für die Menschen da“, sagte Michael Detjen
(Kaiserslautern), Abgeordneter des Europäischen Parlamentes, vor den 80 Delegierten der
Diözesanversammlung des Kolpingwerkes im Festhaus der Gemeinde Winnweiler. Europa fördere Jugendliche, die in einem anderen EU-Land studieren wollen;
Europa unterstütze Arbeiterinnen und Arbeiter, ihre Dienste in einem
Nachbarland anbieten zu können; Europa schaffe das Recht, dass erworbene
Rentenansprüche in einem EU-Land ins andere mitgenommen werden können. Detjen
setzte sich für eine europäische Sozialunion ein, für eine echte Angleichung
der Lebensstandards in allen EU-Ländern.
Detjen verteidigte Europa vehement gegen die vielfach
zu beobachtende Haltung, es für alle Missstände verantwortlich und zum Sündenbock
zu machen. „Wenn soziale Ungleichheit zunimmt, gefährdet das nicht nur Europa,
sondern auch die Gesellschaft,“ meinte Detjen. Gerade der Rechtspopulismus
spiele sich als Rächer der „kleinen Leute“ auf, aber Antworten auf die
Herausforderungen sozialer Ungleichheit hätte er nicht. „Lautstärke macht noch
keine Politik!“
Als einen wichtigen Schritt auf die
Sozialunion hin sieht der frühere Gewerkschafter die am 17. November 2017 von
den europäischen Staats- und Regierungsschefs beschlossene europäische
Säule sozialer Rechte. Sie intendiere die Bereitstellung neuer und
wirksamerer Rechte für Bürgerinnen und Bürger. Sie baue auf 20 Grundsätzen auf, die Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire
Arbeitsbedingungen, Sozialschutz und soziale Inklusion in den Mitgliedsstaaten
fördern wollen. Am Beispiel der Entsenderichtlinie erläuterte
der Politiker, wie wichtig es sei, im gesamten Binnenraum der EU gleichen Lohn
für gleiche Arbeit am gleichen Ort durchzusetzen. Das sei ein echter
europäischer Mindeststandard. „Menschen, die fair entlohnt, die nicht in Konkurrenz mit
ihren Kollegen aus dem EU-Ausland gestellt werden, lassen sich nicht so schnell
von Nationalisten und Rassisten instrumentalisieren und gegeneinander
ausspielen“, davon zeigte sich Detjen überzeugt.
Matthias
Donauer (Kindsbach), Stellvertretender Diözesanvorsitzender und verantwortlich
für den Aufgabenbereich Gesellschaft und Politik im Diözesanvorstand,
moderierte im Anschluss ein Gespräch zwischen dem Abgeordneten und dem jugendpolitischen
Referenten des Kolpingjugend Deutschland, Alexander Suchomsky (Köln). Die
Kolpingjugend habe seit drei Jahren einen europapolitischen Schwerpunkt in ihrer
Arbeit, sagte Suchomsky. 2016 positionierte sie sich in einem Beschluss „Für
die Einheit Europas und gegen nationale Alleingänge“. Im Frühjahr 2018 veröffentlichte
die Kolpingjugend eine Erklärung „Europa als Raum der Solidarität und des
sozialen Zusammenhalts“. Sie rief dazu auf, die europäische Säule sozialer
Rechte nicht nur als unverbindliche Übereinkunft zu sehen, sondern mit Leben zu
erfüllen, damit Europa in der Welt zu einem Ort werde, an dem der Mensch im
Mittelpunkt stehe und sich frei entfalten könne. Detjen sah in der Erklärung
der Kolpingjugend viele gemeinsame Ansätze. Europa müsse Ökonomie, Ökologie und
soziale Rechte miteinander versöhnen und in eine den Menschen dienende Einheit
zusammenführen.
Diözesanvorsitzender
Andreas W. Stellmann (Heßheim) dankte Kolpingbruder Michael Detjen herzlich für
sein Referat und das leidenschaftliche Plädoyer für ein soziales Europa.
Detjen, der selbst Mitglied der Kolpingsfamilie ist, betonte, dass er gerne zum
Kolpingwerk gekommen sei. Wenn es um Menschenrechte, um Fragen sozialer
Gerechtigkeit gehe, um eine menschenwürdige Lösung der Migrationsproblematik
und den Kampf gegen das Gift des Nationalismus, wisse er Kolping an seiner
Seite.
Weiteres
wichtiges Thema der Beratungen war der verbandsinterne und bundesweit geführte
Erneuerungsprozess „Kolping Upgrade“. Diözesanvorsitzender Stellmann berichtet
über den Stand des Prozesses auf Bundesebene und über die in ganz Deutschland
durchgeführten 20 Regionalforen, in denen fast 2000 Mitglieder über die Zukunft
ihres Verbandes nachdachten und diskutierten. Die Foren hätten für viele
Verantwortliche im Verband einen Motivationsschub gebracht. Mit Mut gehe man
nach vorne und in die Phase der Veränderungen.
Unter
dem Leitwort „Zukunft bauen im Heute für Morgen“, legte der diözesane
Arbeitskreis „Zukunft“ eine Erklärung vor, in der er das Kolpingwerk auch künftig
als aktiv gestaltender sozialer und christlicher Verband vorstellte. Im Papier
wird eine alle Verbandsebenen erfassende Erneuerungsbewegung gefordert, in der
möglichst alle Mitglieder mitarbeiten sollten. Der Arbeitskreis „Zukunft“ will
das Wissen zu Adolph Kolping wieder stärker in den Mittelpunkt der örtlichen
Gemeinschaften rücken. Mit kreativen Aktionen soll das unverwechselbare Profil des
Verbandsgründers, des Priesters und Sozialreformers Kolping, ins Gedächtnis gerufen
werden. Die Kolpingsfamilien werden aufgefordert zu überlegen, wo sie aktiv
werden und soziale Projekte initiieren, realisieren und unterstützen können.
Mit
einem vielfältigen Schulungsangebot zu unterschiedlichen Themen will der
Diözesanverband direkte Unterstützung zur Arbeit leisten. Harald Reisel (Dahn)
legte ein Konzept verbandlicher Bildungsarbeit vor, das thematisch und nach
Modulen gegliedert ist; die Kolpingsfamilien können sich einzelne oder auch
mehrere Module für ihre örtliche Bildungsarbeit auswählen. Auch mit praxisbezogenen
Arbeitshilfen will die Diözesanleitung ihre Ortsgruppen unterstützen.
Aus
Kirche, Verband und Öffentlichkeit konnte Vorsitzender Stellmann eine Reihe von
Ehrengästen begrüßen, die auch Grußworte an die Versammlung richteten: Die Präsidentin
der Handwerkskammer der Pfalz, Kolpingschwester Brigitte Mannert (Alsenz), den
Vizepräsidenten der Kammer (Gesellenseite), Kolpingbruder Michael Lehnert
(Münchweiler a.d.R.), den Regionsgeschäftsführer des DGB Bezirks Westpfalz,
Marcel Divivier-Schulz (Kaiserslautern) sowie den Handwerksbeauftragten des
Bundesvorstandes des Kolpingwerkes Deutschland, Reinhold Ockel (Köln). Dr.
Thomas Kiefer (Speyer), Ansprechpartner der Verbände im Bischöflichen
Ordinariat, vertrat das Bistum Speyer. Für die gastgebende Stadt und die Verbandsgemeinde
Winnweiler sprach Bürgermeister Rudolf Jacob ein herzliches Wort des Willkommens.
Nach
umfangreichen Berichten im Regularienteil wurde der Diözesanvorstand einstimmig
entlastet. Einen herzlichen Dank richtete der Vorsitzende an die
Tagungsleitung, Wolfgang und Franziska Breitwieser und Martin Garst (alle
Hettenleidelheim). Sein abschließender Dank galt der örtlichen Kolpingsfamilie,
namentlich dem Vorsitzenden Markus Schreiber, der Gemeinde Winnweiler für die Bereitstellung
des Hauses und die technische Unterstützung sowie den ehrenamtlichen
Helferinnen und Helfern, die eine gastfreundliche Atmosphäre geschaffen haben. Die
Diözesanversammlung 2018 endete mit dem Kolpinglied und einem frohen „Treu
Kolping!“